Geschichten - Charlotte Mertel

„Ich gehe gern am Wasser spazieren“

Charlotte Mertel ist ein Werderaner Unikat, fast täglich spaziert die rüstige Rentnerin am Wasser entlang, trinkt ihren Kaffee, isst ein Stückchen Kuchen und geht dann wieder nach Hause. „Bis zum nächsten Mal“ sagt sie dann und geht. Kürzlich erzählte sie nun einiges aus ihrem Leben. „1910 bin ich auf der Insel, in dem Haus meiner Eltern, am Marktplatz, geboren. Früher wohnten da alles Beamte drin“, weiß sie zu erzählen.  „Früher haben wir immer an der alten Mühle, hier auf der Insel gespielt und wie alle anderen Kinder auch zu dieser Zeit, bin ich in die Schule „Unter den Linden“ gegangen, acht Jahre lang“ erzählt sie und nimmt genüsslich einen Schluck warmen Kaffee mit viel Zucker. „Tja, viel Zucker - alt bin ich allein, süß muss ich werden“ bemerkt sie dabei.

„Nach meiner Schule war ich fast immer arbeiten. Oft habe ich auf dem Grundstück meiner Eltern mitgeholfen. Die haben da Obst angebaut und nach der Ernte haben wir das  Obst in den Hohen Weg zu Kassin gebracht, der es dann weiter nach Berlin zum verkaufen fuhr. Manchmal habe ich auch in der Fabrik im Lendelhaus gearbeitet. Da wurde Obst in Dosen abgefüllt“, erzählt sie. Auf die Frage, wo sie denn ihren Mann kennengelernt hat, lächelt sie und sagt „Meinen Mann, ein schöner Mann aus Bayern, habe ich im ehemaligen Gesellschaftshaus kennengelernt. Das wurde dann nachher Gloth und so kennen es die meisten Werderaner. Mein Mann war damals auf der Suche nach Arbeit und da er Gärtner war, kam er in unsere Gegend. Wir hatte eine schöne Zeit. Geheiratet haben wir in der Kirche, auf der Insel.“

„Wie auch meine Eltern, haben auch wir auf der Insel, am Marktplatz, gewohnt. Ich war eigentlich immer hier. Früher, das war wirklich schön, da gab es die Pferdebahn direkt bei mir gerade rüber. Immer zwei Pferde waren vor der Bahn, die dann zum Bahnhof fuhr. Auch wir sind da oft mitgefahren und dann vom Bahnhof ging es mit dem Zug nach Berlin oder Potsdam.“

„Besonders schön fand ich damals immer das Baumblütenfest. Wir haben immer viel auf der Friedrichshöhe gefeiert. Das war früher ganz anders als heute. Aber schon damals gab es viele Berliner zum Blütenfest in der Stadt. Das war immer lustig. Da gab es auch immer viele junge Männer in Mengen“ erzählt sie und lacht.

„Vor dem zweiten Weltkrieg haben wir in dem Haus neben der Apotheke gewohnt. Gleich daneben war ein Baugeschäft und da war mein Großvater Schmied. Aber das war nichts mit Maschinen oder so. Da stand nur ein Holzklotz und daran wurde gearbeitet.  Mein Vater war Sattler bei der Firma Kärger, die damals eine große Firma war.“

„Unser Haus jedenfalls wurde im Krieg von Bomben getroffen und war kaputt. Wann das genau war, weiß ich schon gar nicht mehr. Aber, wir bekamen ein neues Haus von der Stadt, in dem wohne ich noch heute, mit meiner Tochter“ erzählt sie und nimmt sich ein Stück Kuchen vom Teller. „Ich war sehr glücklich mit meinem Mann, der übrigens ein richtiger Gärtner aus Bayern war“ wiederholt sie und erzählt weiter „auch wir hatten einen Schrebergarten im Scheunhornweg, aber den habe ich schon lange abgegeben, weil ich die Arbeit nicht mehr schaffe. Früher war ich auch gern mit meinem Mann auf dem Wasser. Zuerst haben wir uns immer ein Boot gemietet und nachher hatten wir selbst eins. Wir sind auch oft mit der Fähre nach Wildpark West rübergefahren. Das war immer eine schöne Strecke zum spazieren  gehen. Als wir dann drüben ankamen, gingen wir immer nach links zum Bahnhof und so zurück nach Werder. Wir haben immer viel Spaß gehabt. Ich habe viele schöne Jahre mit meinem Mann hier verbracht“ erzählt sie.

Dann kommt sie zum Schluss ihrer Erzählung. „So, nun muss ich aber los, es wird gleich dunkel und dann will ich zu Hause sein“ verabschiedet sich Charlotte Mertel und geht nach Hause.