„Mein Opa nähte für die Obstzüchter und die Pferdebahn“
Rudolf Nähring gehört zu einer alten Werderaner Familie. „Mein Opa war Sattlermeister Schropsdorff in der Brandenburger Straße 159 und nähte für die Pferdebahn und Obstzüchter. Damals wurde ja alles mit dem Pferd transportiert und da brauchten seine Kunden Geschirre, Sättel und Zaumzeug. Auch der Kähne vom Rittergut Petzow zählte zu seinen festen Kunden.“ Erinnert sich Rudolf Nähring an die Erzählungen seiner Opas. Teilweise hat er auch noch die Zeit selbst miterlebt, in denen sein Opa für die Werderaner nähte. „Es kam oft vor, dass die Leute in die Werkstatt kamen und sagten „Meister, wir brauchen neue Geschirre“. Als kleiner Junge erledigte ich auch Botengänge für meinen Opa“ erzählt er. „Auch die Löwenbrauerei aus Werder in der Straße unter den Linden gehörte zur Kundschaft meines Opas. Wenn dann die Rechnungen fällig waren, schickte er mich hin, das Geld von Direktor Alfred Dietze abzuholen, das war so´n dicker. Der sagte dann immer, na bringste die Rechnung vom Meister und gab mir dann auch noch ein paar Pfennige Trinkgeld.“
„Damals gab es auch noch die Gärtnerei Kärger“ erklärt Rudolf Nähring. „Doch das einzige, was heute davon noch übrig ist, ist das, wo heute die AOK drinn sitzt. Bis 1933“, glaube ich „war die Gärtnerei so gross, dass sie bis zur Eisenbahnstraße, dem Rat der Stadt reichte. Auch die Kellermannstraße gehörte zur Gärtnerei. 1953 meldete dann die Gärtnerei Konkurs an und es wurden in der Kellermannstraße Häuser gebaut. Geblieben war damals ein kleiner Betrieb am Scheunhornweg.“
„Mein anderer Grossvater, väterlicher seits, war Obstzüchter Ernst Nähring und in den letzten Jahren der Nazizeit war er der Direktor der Werderschen Obstzüchtergenossenschaft.“
„Die Obstzüchter belieferten ja damals schon die Berliner mit Obst aus dem Havelland. 1927 war das“ glaube ich „das bekam die Genossenschaft erst zwei Lkw und später noch einen für den Transport des Obstes nach Berlin.“
„Aber nun zu mir“ meint Rudolf Nähring. „Ich bin gebürtiger Werderaner und habe in Potsdam eine Ausbildung zum technischen Kaufmann gemacht. 1936 wurde ich dann zum Arbeitsdienst eingezogen und kam anschliessend zur Wehrmacht. Dort wurde ich dann 1942 wegen einer Kriegsbeschädigung entlassen und kam wieder nach Babelsberg in die Autofirma Borkwart Automobile. Gewohnt habe ich aber in Werder am Marktplatz 8a.“
„Ich kann mich noch genau an den Bombeneinschlag von 1944 auf dem Marktplatz erinnern. Da gab es 19 Tote. Das Haus neben dem, in dem ich gewohnt habe war völlig weggebomt worden. Bei uns war der ganze Giebel weg“ berichtet er von der Bombadierung.
„In Babelsberg arbeitete ichbis 1945, dann wurde der Betrieb aufgelöst und seit dem 1. Januar 1946 bin ich selbstständiger Fuhrunternehmer. Ich war einer der ersten in Werder. Damals gab es nur noch einen anderen Fuhrunternehmer in der Stadt. Zusammen hatten wir zwei Lkw, mit denen wir die Versorgung in der Stadt aufrecht erhielten. Karl Bacher hatte einen Sechs-Tonner Mercedes. Ich fuhr anfangs mit einem Zwei-Tonner. Wir sind viel für die HAGEDA gefahren. Da sitzt jetzt Blumen-Ramm drinn. Die HAGEDA war damals aus Berlin hierher ausgelagert worden. Nach einiger Zeit habe ich mir dann einen Opel Kadett zugelegt. Der war Baujahr 1938. 1950 habe ich dann meinen Lkw abgegeben und habe einen reinen Taxibetrieb geführt. Wir fuhren damals mit Opel Kadett, Kapitän und so. 1957 bekam ich dann meinen ersten 311er Wartburg. Wir haben damals im Landkreis mit das Taxigewerbe aufgebaut. Das war nicht einfach, denn Selbstständige hatten es damals schwer. Auch die Russen gehörten zu unseren Fahrgästen. Einer fuhr fast jeden Tag mit mir. Ein Oberleutnant aus der Fliegersiedlung meldete sich regelmäßig und wir fuhren nach Belzig zu seiner Führungsstelle, wo er Rapport abgeben musste. Er hat immer mit Produkten bezahlt. Wodka, Frauenstrümpfe und so“ erzählt Rudolf Nähring und lacht.
„Eine Geschichte war ganz lustig. Als die Soldaten dann abreisen mussten, wollte er noch schnell einkaufen fahren. Wir haben ein Klavier und Möbel gekauft. Mit einem Lkw wurde alles nach Berlin Lichtenberg gefahren, weil alles dort verladen werden sollte. Doch die Waggons waren schon voll ein seine Sachen passten nicht mehr mit rein. Da hat er das ganze Zeug einfach die Rampe runtergeschmissen. Das schöne Klavier und die neuen Möbel. Doch was sollte er auch machen, der Zug fuhr ab und er musste mit.“
„Fünf Taxen fuhren bei mir“ erzählt Rudolf Nähring. „1985 bekamen wir dann einen VW Bus genehmigt. Den konnten wir für 60.000 Mark kaufen. Aber das war auch schwierig den zu bekommen. Wir fuhren früher im Arbeiterberufsverkehr. Der Barkas, den wir hatten, ging dauernd kaputt und nach langem hin und her konnten wir dann den VW Bus kaufen. Bis zur Wende fuhren wir mit vier Wartburg und dem Vw Bus. Wir dachten, wunder, was für ein Betriebskapital hatten, weil ein Wartburg ja auch ein paar Mark gekostet hatte. Noch kurz vor der Wende haben wir einen neu lackieren lassen und nach der Wende war das ganze Betriebskapital hin.“
„Doch wir wollten überleben und wegen der schlechten Situation habe ich ein Grundstück verkauft und das Geld gleich wieder in die Firma investiert. So haben wir unser überleben gesichert.“