„Mit Schilfmatten wurden die Strassen dicht gemacht“
Günter Hildebrand kam 1937 als Sechsjähriger auf die Insel. Seine Eltern kauften damals auf der Inselstadt ein Haus und er wuchs als einziges Kind in der Havelstadt auf. „Als Schulkinder hatten wir immer viele Dummheiten im Kopf und haben den Lehrern so manchen Streich gespielt,“ erinnert er sich an seine Schulzeit in der Volks- und später in der Mittelschule. „Da hatten wir eine Biologielehrerin, die hieß Frau Michaelis und die wollte mit uns einen Kürbis auseinander nehmen. Wir waren schon in der Pause im Klassenzimmer, haben den Kürbis auf einen Schrank gelegt und mit einer Strippe an der Tür festgemacht. Als dann unsere Lehrerin ins Klassenzimmer kam und die Tür dabei aufmachte, fiel der Kürbis runter und platzte in tausend Stücke“, erzählt er grinsend. „Streiche haben wir damals viele gespielt, aber das war dann keine Sachbeschädigung.“
„Zum Ende des Krieges waren wir dann als die Pimpfe in den Kriegsdienst eingespannt. Im April 1945 wurde Potsdam bombardiert und wir Jungvolk mussten von der technischen Hilfe aus nach Potsdam fahren und haben dort nach Verschütteten gesucht. Ich kann mich noch genau an die Sache erinnern, als wäre es erst gestern gewesen“, berichtet Günter Hildebrand. „Wir waren in der Französischen Straße eingesetzt. Bis zur Bombardierung war dort das grosse Kino „Alhambra“ und auf der anderen Strassenseite ein öffentlicher Luftschutzbunker. Mit der Hand und Schippen haben wir den Schutt beiseite geräumt, haben aber nur Tote gefunden. Und immer wenn wir einen Toten gefunden haben, dann wurden wir zur Seite genommen und uns wurde Schnaps zu trinken gegeben, damit wir das Alles etwas leichter verkraften können. Das war damals der erste Kontakt mit Alkohol für mich.“
„In Werder selbst sind die Russen erst ziemlich spät eingetroffen,“ erzählt er von den letzten Zügen des Krieges in der Havelstadt. „Die Russen haben ziemlich lange einen grossen Bogen um die Stadt gemacht, weil die Strengfeldbrücke, die Baumgartenbrücke und die Eisenbahnbrücke gesprengt waren und sie hier riesige Truppen vermutet haben und dabei war hier doch der Ausbildungsflugplatz. Noch bevor Berlin eingeschlossen wurde, hatte sich die Deutsche Armee längst ´gen Westen verzogen, bis auf die Kampfgruppe, die hier die Stellung hielt. Mein Vater war damals auch in der Kampfgruppe und trug Räuberzivil. Das war ein blaues Käppi, eine blaue Luftwaffenjacke, grüne Infanteriehosen und eine Armbinde mit der Aufschrift Volkssturm.“
„Als dann die Stadt Potsdam gefallen war und in Berlin die Kämpfe in den letzten Zügen waren, haben sich die Russen auf der Uferseite in Wildpark mit Scharfschützen postiert und haben auf alles auf der Insel geschossen, was sich bewegt hat. Egal ob das Hunde, Katzen oder Menschen waren, keiner war am Tage mehr sicher. Es hat sich kaum noch jemand aus den Ställen in der Ufernähe rausgetraut. Nachts haben dann Insulaner die Strassen mit Schilfmatten zugemacht, dass die Scharfschützen keine freie Sicht mehr hatten und sich die Einwohner auf der Fischerstrasse einigermaßen frei bewegen konnten.“ „Doch das waren nicht die einzigen Angriffe der Russen auf Werder,“ erinnert er sich. Von den Glindower Alpen haben die Russen die Stadt wahllos beschossen. Einige Treffer gab es auch auf dem heutigen Marktplatz der Inselstadt.